Die Vorableserunde zu "Das Mätressenspiel" ist nun zu Ende. Der Austausch mit den vielen netten Teilnehmerinnen hat mir viel Freude gemacht, und nun darf ich mich weiter darüber freuen, wie sorgfältig und liebevoll sie ihre Rezensionen verfassen. Wer neugierig ist, kann sie hier auf der Seite des Lübbe Verlags/der Lesejury nachlesen.
Die Fragen, die die Leserundenteilnehmerinnen mir gestellt haben, und meine Antworten darauf, trage ich hier noch einmal für euch zusammen.
Ich bin die Tochter einer leidenschaftlichen Gärtnerin. Meine Mutter lebt nun leider schon seit über zehn Jahren nicht mehr, aber in meinen Erinnerungen sehe ich sie meistens im Garten oder zumindest draußen in der Natur. Ohne den Beruf der Gärtnerin erlernt zu haben, hatte sie sich ein gewaltiges Wissen zu jedem Bereich der Gartengestaltung angeeignet – sei es zu exotischen Zierpflanzen, dem Gemüsenutzgarten, die Obstbaumpflege oder auch der ökologischen Pflanzenvergesellschaftung. Und dieses Wissen hat sie unermüdlich umgesetzt. Dabei folgte sie übrigens den Fußstapfen ihrer Eltern, denn auch meine Großeltern liebten ihren eigenen riesigen Garten.
Schon meine Kindheit war daher vom Gartenthema geprägt, und ich empfinde das als wunderbare Erinnerung. Während ich im Garten spielte, war meine Mutter dort mit Spaten, Hacke oder Schere beschäftigt und kam gelegentlich zu mir (und den Schildkröten) herüber, um uns mit gerade reif gewordenen Erdbeeren oder Tomaten zu füttern.
Ich war vielleicht zehn Jahre alt, als meine Mutter und meine Oma mit meiner Schwester und mir zum ersten Mal nach Hannover in die Herrenhäuser Gärten fuhren. Und ganz gleich, ob einem die sehr spezielle, strenge Barock-Gartenkunst persönlich liegt oder nicht – der Faszination eines gepflegten Barockgartens kann sich wohl kaum jemand entziehen. Ich war jedenfalls schon damals gebannt davon, wie in diesem Park eine Art prunkvolles lebendes Gemälde aus Pflanzen geschaffen und erhalten wurde.
Es folgte noch einige Besuche dort mit meiner Familie, bei denen mir dann irgendwann auch die Statue von Herzogin Sophie, der maßgeblichen Schöpferin der Anlage, auffiel. Während des Studiums lag nicht nur eines meiner Vorlesungsgebäude an den Herrenhäuser Gärten, sondern auch mein Weg in die Stadt führte direkt dort vorbei. Und weil der Eintritt damals frei war, saß ich oft mit einem Buch in einem der ruhigen Winkel der Anlage. Dass ich später, als ich mich aus einer anderen Recherche-Richtung der Geschichte des Herzoghauses von Hannover näherte, wieder auf diesen Garten zurückkam, lag nahe.
Meinen eigenen Garten liebe ich übrigens auch sehr. Da ich aber niemals genug Zeit hätte, um so viel aus ihm zu machen, wie meine Mutter oder meine Oma es getan hätten, lasse ich ihn weitgehend wild wachsen und genieße einfach alles, was freiwillig gedeiht.
Wie lange schreibe ich schon?
Ich schreibe, seit ich es in der Grundschule gelernt habe. In den ersten zwanzig Jahren habe ich mich dabei auf Kurztexte und ausufernde Tagebücher beschränkt und nur äußerst selten jemandem etwas davon gezeigt. Bis zum Ende meines Studiums hatte ich nie die Absicht, professionell zu veröffentlichen, obwohl ich mich immer mit Literatur, Sprache und dem Schreibprozess auseinandergesetzt und extrem viel gelesen habe. Während des Studiums (Germanistik/Literaturwissenschaft, Soziologie und Pädagogik) dachte ich noch, ich würde auf der »Verwerterseite« enden und einen Job in der Verlagsbranche annehmen, was meine Sterne dann anders entschieden.
Wann stand für mich fest, dass ich ein Buch schreiben will?
Schon im Studium habe ich davon geträumt, eines Tages einen Roman zu schreiben, doch die Richtung war mir noch völlig unklar. Nach dem Studium hatte ich dann erst mal ein paar Jahre mit meinen kleinen Kindern zu tun, und für geistig-schöpferische Arbeit gab es wenig Gelegenheit. Gelesen habe ich in dieser Zeit aber auch sehr viel. Und irgendwann brauchten die Kinder dann meine Aufmerksamkeit weniger. Ich sah meine Chance, hatte inzwischen herausgefunden, welche Art von Belletristik mir am meisten liegt, und schrieb meinen ersten Roman. Den ich übrigens aus guten Gründen nie zur Veröffentlichung angeboten habe. Dann schrieb ich den zweiten, für den dasselbe gilt. Erst danach hatte ich den Bogen heraus und schrieb den dritten (»Der Rabe und die Göttin«), für den sich kein Verlag fand, weil das Thema angeblich nicht verkäuflich war. (Später wurde er doch noch veröffentlicht und hat sich ausgezeichnet verkauft.) Mein vierter Roman (»Herrin wider Willen«) war der erste, der veröffentlicht wurde. Was ich damit sagen möchte: Schreiben ist toll, lass dir den Spaß daran niemals nehmen. Auf eine Veröffentlichung hinzuarbeiten, erfordert hingegen eine Menge Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen.
Wie finde ich die Motivation zum Schreiben?
Meine Motivation liegt vor allem in den Themen und Personen meiner Geschichten. Wenn ich am Anfang der Planungsphase überzeugende Figuren geschaffen habe, die authentisch wirkende Hindernisse überwinden müssen, bin ich selbst gespannt darauf, wie es mit ihnen weitergeht und wie es mir gelingen wird, das zu erzählen. Im historischen Roman kommt hinzu, dass ich mein eigenes Interesse für eine Epoche oder ein geschichtliches Thema in eine Form gießen möchte, die auch für andere interessant und unterhaltsam ist, die sich sonst nicht viel mit Geschichte beschäftigen. Jedes Mal, wenn ich bei meinen Recherchen auf etwas stoße, was mein Interesse weckt, überlege ich gleich, wie sich das in einem Roman darstellen ließe.
Trotzdem gab es bisher bei jedem meiner Romane im Laufe der langen Zeit (etwa ein Jahr), die ich daran arbeite, Motivationsflauten. Da brauche ich dann etwas, ohne das man als Berufsautorin nicht existieren kann: eiserne Disziplin, die mich trotzdem jeden Morgen an den Schreibtisch zwingt.
Wenn es dir mit der Frage eher darum ging, wie du als noch experimentierende Autorin Themen und Anlässe zum Schreiben findest, dann rate ich dir, zu einem Buch mit Schreibanregungen zu greifen.
Ich habe schon als Jugendliche nicht nur aktuelle Bücher gelesen, sondern auch alte und sehr alte, und im Studium setzte sich das fort. Wenn ich für eine bestimmte Zeit recherchiere, stoße ich außerdem häufig auf Quelltexte wie Briefe, Tagebücher und Urkunden, aus denen sich zumindest die Schriftsprache der Epoche entnehmen lässt. Für »Das Mätressenspiel« habe ich unter anderem die »Briefe der Herzogin von Orléans. Lieselotte von der Pfalz« gelesen, von denen sich viele an ihre Tante Herzogin Sophie richten, und die Memoiren der Herzogin selbst. (»Memoiren 1639-1680. Sophie von Hannover«).
Nun ist es allerdings trotzdem nicht so, dass die Sprache im Roman wirklich der entspricht, die damals gesprochen wurde, denn die wäre für moderne LeserInnen eine Zumutung. Sogar das damalige Deutsch würden wir kaum noch verstehen, geschweige denn das alte Französisch oder zum Teil gar noch Latein, das im höfischen Umfeld oft die Umgangssprache war. Ich muss als Autorin also eine neue Sprache erfinden, die dennoch die alte widerspiegelt. Wenn mir das gelungen ist, freut es mich sehr.
Oh, ja, ich lese mit Begeisterung kreuz und quer. Nur Krimis mag ich nicht besonders, da lasse ich mich nur auf besondere Empfehlungen ein. Aber mit Fantasy zum Beispiel kann ich mich wunderbar entspannen, und ich würde unheimlich gern eines Tages noch einmal etwas in diesem Genre schreiben.
Es gibt wahnsinnig viele Bücher, die ich liebe – unmöglich, sie hier alle aufzuzählen. Aber am häufigsten wiedergelesen habe ich Twains Tom Sawyer, Lindgrens Die Brüder Löwenherz, Tolkiens Der Herr der Ringe & Der kleine Hobbit, Irvings Das Hotel New Hampshire, Harper Lees To kill a Mockingbird, Sara Donatis Im Herzen der Wildnis (im Englischen eine mehrbändige historische Saga, die leider nie vollständig übersetzt wurde, so weit ich weiß), Penelope Williamsons Westwärts, Niffeneggers Die Frau des Zeitreisenden, Diana Wynne Jones’ Chrestomanci-Geschichten, die Romane von George Eliot, Jane Austen und den Brontë-Schwestern … Wow, sogar das werden zu viele zum Aufzählen.
Mein Suchtmittel ist Tee. (Was für ein Glück, denn der gesundheitliche Schaden von Teekonsum hält sich in Grenzen ;-) ) Ich trinke am Tag literweise meist grünen Tee. Auf meinem Schreibtisch steht buchstäblich immer eine Thermoskanne Tee, und der Griff zur Tasse ist eindeutig eine Suchthandlung, die nichts mit Durst zu tun hat. Neuen Tee kochen zu müssen ist eine typische und immer willkommene Unterbrechung der Arbeit.
Eine zweite Sucht ist Stille. Ich brauche bei der Arbeit Ruhe. Zur Not setze ich sogar einen Gehörschutz auf, wenn zu viele Nachbarn ihre höllischen Gartenmaschinen in Betrieb nehmen.
Ach ja, und gegen Schokolade habe ich auch überhaupt nichts einzuwenden. Die brauche ich nicht ständig, aber gerade bei der Textüberarbeitung, dem Druckfahnenlesen und der Steuererklärung ist sie ein wertvolles Hilfsmittel. Am besten funktionieren bei mir karamellverstärkte Varianten. Schoko-Pfefferminztaler gehen auch. Beim gewöhnlichen Schreiben genügt ein Schälchen mit Studentenfutter.
Mit meinem neuen Romanprojekt verfolge ich das Schicksal der hannoverschen Herzogsfamilie nach einem Zeitsprung von gut dreißig Jahren weiter. Erneut lebt eine (fiktive) junge Frau im höfischen Gefüge, die gewaltige persönliche Probleme zu lösen hat. In dieser Zeit siedelt der hannoversche Hof übrigens nach London um. Mehr sage ich mal nicht. ;-)
Um eine Fortsetzung von »Das Mätressenspiel« handelt es sich aber nicht, sondern um eine ganz neue Geschichte.
Und: Ja, ich schreibe gern und oft von Hand vor. Nur dann nicht, wenn ich stark unter Zeitdruck stehe. Zum einen empfinde ich Handschrift als meditativ und schon an sich befriedigend, zum anderen scheint meine Kreativität leichter zu fließen, wenn die Hand auf die Art mithelfen darf. Tippen ist für mich nicht dasselbe (funktioniert zur Not aber auch direkt). Außerdem sind Papier und Stift ablenkungsfreier als der Computer mit seinen Trillionen von Möglichkeiten. Und ich kann mit Papier leichter im Garten arbeiten, was ich bei passendem Wetter häufig mache. Mit einem Notebook-Bildschirm kommen meine Augen draußen, gerade bei Sonnenlicht, nicht so gut zurecht.
Wenn ich meine Handschrift abtippe (blind und mit zehn Fingern, geht also relativ schnell), überarbeite ich den Text dann schon das erste Mal grob.
Die Frage »Wie lange hat es gedauert?« lässt sich nicht so leicht beantworten, da ich mit der Recherche für »Das Mätressenspiel« nicht bei Null angefangen habe. Allgemeines Wissen über die Epoche habe ich mir schon für den Vorgängerroman (Das blaue Medaillon) angeeignet und es stetig erweitert. Das heißt, Informationen über die kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Epoche, über den Kleidungs-, Einrichtungs-, Bau-, Musik- und Kunststil, die Ernährung, die Landwirtschaft, die Gartenkunst usw. hatte ich schon seit etwa zwei Jahren zusammengetragen, bevor ich mit der konkreten Arbeit am Roman begann. Dann habe ich etwa zwei Monate lang die genauen Einzelheiten über die Herzogsfamilie und andere eventuell vorkommende historische Persönlichkeiten, sowie die räumlichen Gegebenheiten recherchiert. Während des Schreibens hört die Recherchearbeit bei mir dann auch nicht auf, weil ich immer wieder auf Sachverhalte stoße, die mir doch noch nicht klar genug sind, sodass ich wieder nachlesen muss.
Nur ein Bruchteil des recherchierten Materials wird übrigens am Ende für LeserInnen im Roman sichtbar. Trotzdem muss ich alles erst einmal zusammentragen, um entscheiden zu können, was direkt einfließen soll. Der absolute Löwenanteil der Recherche ist das Lesen von Sach- und Fachtexten. Museumsbesuche helfen auch. Reisen an Handlungsorte sind hingegen zwar schön, steuern aber bei historischen Romanen meist nur einen geringen Nutzen bei, weil es fast nirgends auch nur annähernd heute noch so aussieht wie damals. Der berühmte Barockgarten von Herrenhausen ist da auch keine echte Ausnahme, denn er sieht heute ebenfalls nicht mehr aus wie 1682. Er wurde im Krieg ebenso wie das Schloss zerstört und dann neu angelegt. Das Schloss wurde erst vor wenigen Jahren nachgebaut.
Zum Thema Recherche habe ich auf meiner Webseite schon einmal einen ausführlichen bebilderten Beitrag gepostet, der dich vielleicht auch interessiert. Er befindet sich in der Rubrik »Wer-Wie-Was?« unter »Extras«.
Mein erster historischer Roman spielte in der Wikingerzeit, weil mich die nordische Sagen- und Mythenwelt und die Schiffe der Wikinger faszinierten. Verlagsseitig war man damals aber der Ansicht, dass Leser mein Interesse an dieser Zeit nicht teilen. Stattdessen wäre das christliche Mittelalter gefragt. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, ob mich am Mittelalter etwas ebenso fesselt wie an der Wikingerzeit, und kam durch verschiedene Zufälle zwar nicht auf das Mittelalter, aber auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. In Verbindung mit der Historie der Stadt und des Landes Lüneburg (wo ich lebe) fand ich darin die Grundlage für die nächsten Geschichten, die ich erzählen wollte. Und von da an führte immer die Recherche für den einen Roman zur Idee für den nächsten. Das Herzoghaus von Hannover, um das es in »Das Mätressenspiel« geht, hat seine Wurzeln übrigens auch im Braunschweig-Lüneburgischen. Hinzu kommt in diesem Fall, dass ich ursprünglich aus der hannoverschen Gegend stamme, und deshalb neugierig war, wie es dort zu gewissen Entwicklungen kam. Und die Herzogsfamilie hat mich beschäftigt, weil ich einige der Frauenschicksale dieses Hauses besonders spannend und aufwühlend fand.
Dass du mit deinen sechzehn Jahren noch nicht viele Bücher neu kaufst, liegt ja sicher auch an deinem vermutlich nicht so üppigen Einkommen. Meiner Erfahrung nach ändert sich das ein wenig, wenn man in dieser Hinsicht weniger eingeschränkt ist.
Was mich angeht, nutze ich jede erdenkliche Methode, um an Bücher zu gelangen, außer den Download von Raubkopien. Viele der Sach- und Fachbücher, die ich für meine Arbeit benötige, sind neu gar nicht mehr erhältlich oder für mich unerschwinglich, daher freue ich mich ebenso wie du, wenn ich sie gebraucht kaufen kann oder in der Bücherei ausleihen.
Trotzdem muss ich an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass es für AutorInnen überlebensnotwendig ist, dass Menschen ihre Bücher zum regulären Preis neu kaufen. Zum einen fließt nur dann das Geld für unseren Lebensunterhalt, zum anderen haben Verlage kein Interesse daran, Bücher zu verlegen, die im Laden niemand kauft.