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Donnerstag, 11. Juni 2020
Meine lieben Lektorinnen und ich
Für all meine Romane hatte ich mindestens zwei Lektorinnen. Zum einen die festangestellte Verlagslektorin, die die Geschichte auch »eingekauft« hat, und zum anderen eine vom Verlag für die eigentliche Arbeit am Text (die Textredaktion) engagierte freie Lektorin. (Das war bei meinen Romanen bisher immer dieselbe Person, weil sich herausgestellt hat, dass wir hervorragend zusammenarbeiten.) Wenn ich mein fertiges Manuskript in die Hände meiner Lektorinnen lege, ist das zwar das wunderbare Ende des umfangreichsten Teils der Arbeit am Buch, aber erst der Anfang der nächsten intensiven Arbeitsphase. Auch meine Lektorinnen geben mir natürlich eine Rückmeldung, wie die Geschichte bei ihnen als Leserinnen ankommt, doch vor allem entscheidet sich jetzt, wie der noch nicht betriebsblinde professionelle Blick auf die Geschichte ausfällt. Das ist jedes Mal wieder aufregend. Gibt es Lücken und Schwächen in der Handlung, die ich nicht bemerkt habe? Überzeugen und interessieren die Figuren und ihr Schicksal überhaupt?
Ganz egal, wie oft ich das nun schon hinter mir habe und wie oft ich schon erfahren durfte, dass es keine massiven Probleme in meinem Text gibt: Ganz sicher fühle ich mich zu diesem Zeitpunkt nie. Und ganz egal, wie viele Bücher ich noch schreiben werde, wahrscheinlich bleibt das so.
Auch wenn meine Lektorinnen keine großen Schwächen im Manuskript finden, hat meine Textredakteurin übrigens noch gut zu tun. Sie spürt jede Ungereimtheit, jeden Tippfehler, jeden überflüssigen Halbsatz auf und versieht das gesamte Manuskript mit Kommentaren für mich, damit ich über Änderungen nachdenken kann. Auch wenn ich dachte, ich hätte schon sorgfältig überarbeitet, kommt jetzt immer noch ein ganzer Sack voll Verbesserungen zusammen. Dieser Feinschliff ist unentbehrlich, um den Text aufs nächste »Level« zu heben.
Meine Lektorin macht das wirklich toll. Sie ist unentbehrlich, bleibt aber dennoch gern unsichtbar.
Doch ausnahmsweise gibt sie uns ein Interview! Hier kommen ihre Antworten. (Nennen wir sie »Anna«.)
Liebe Anna, wie lange arbeitest du schon als Lektorin?
»Mein redaktionelles Handwerkszeug habe ich vor knapp 30 Jahren erlernt. Als Freie Lektorin hauptberuflich selbstständig bin ich jetzt seit 18 Jahren.«
Wie viele Romane hast du schon lektoriert?
»Da hab ich jetzt extra für Dich nachgezählt: Es sind etwas über 130, deutschsprachige Romane ebenso wie Übersetzungen. Mit insgesamt ungefähr 110 Millionen Zeichen und 17 Millionen Wörtern (falls das jemanden interessiert…).«
Magst du ein paar Autorïnnen nennen, mit denen du schon zusammengearbeitet hast?
»Oh, da sind ein paar dabei, die Du möglicherweise auch kennst. Aber in diesem Punkt bin ich sehr verschwiegen …«
Was ist dein körperlicher Ausgleich zu den vielen Stunden Schreibtischarbeit? Und hast du sonst noch ein Hobby?
»Mein größtes Hobby ist, kein Auto zu haben, weswegen ich alle meine Alltagserledigungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad mache und mich schon deshalb viel bewege. Aber ohne regelmäßiges Laufen und Radfahren würde mich das viele Sitzen wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben. Die besten Lösungen zu kniffligen Textproblemen fallen mir übrigens meistens nach einer Stunde Waldlauf oder dreihundert Höhenmetern Bergaufradeln ein. Ansonsten beschäftige ich mich gerne mit Saxophon spielen, Schokolade essen – und … äh… mit Lesen…«
Schaffst du es noch, auch zum Vergnügen zu lesen?
»Lesen ist für mich IMMER Vergnügen! Vor allem bei so tollen Autorinnen wie Dir. :-) Aber, ja: Ich lese, seit mein Hirn die Bedeutung aneinandergereihter Buchstaben kennt, praktisch dauernd – ob mit oder ohne Stift in der Hand. Ohne Buch oder Zeitschrift in der Tasche geh ich gar nicht aus dem Haus. (Außer zum Sport natürlich.)«
Wie viele Bücher hast Du denn in Deiner Wohnung stehen?
»Private und berufliche zusammengezählt, dürften es hochgerechnet an die drei- bis viertausend sein. Reiseführer und Kochbücher nicht mitgerechnet. Ich muss bald anbauen – oder umziehen…«
Danke für das Interview! Und danke für das nette Kompliment, liebe Anna!